Wir wurden Zweitzeug:innen von Holocaust-Überlebensgeschichten

Am 24.04.2023 besuchte der Verein Zweitzeugen e.V. die neunten Klassen der WBG. Die Workshopleiterin Julie erzählte uns vom 2. Weltkrieg und insbesondere der Flucht eines Juden.

Zu Beginn des Workshops, der drei Schulstunden dauerte, sammelten wir Aktivitäten, die wir in unserem Alltag ganz selbstverständlich machen, an der Tafel.

Im Anschluss verglichen wir dann unseren Alltag mit den damaligen anti-jüdischen Gesetzen. Wir waren wirklich erschrocken, denn nach einiger Zeit war fast nichts mehr übrig, was jüdische Menschen in der damaligen Zeit durften, verglichen mit dem, was uns heutzutage alles erlaubt ist. Das führte uns vor Augen, wie furchtbar diese Zeit war. Wir erhielten zudem verschiedene Einblicke, zu welchen Zeitpunkten welche Gesetze festgelegt wurden. Von 1939 bis 1945 stieg die Anzahl an judenfeindlichen Erlassen und unzumutbaren Regeln. Wir fanden am erschreckendsten die Verordnungen, dass Juden nur eine Stunde pro Tag einkaufen gehen durften sowie, dass Juden keine eigenen Besitztümer haben dürfen (sie durften z.B. auch keine Haustiere haben). Wir können uns nicht vorstellen, unsere Haustiere einfach abgeben zu müssen, nur weil irgend jemand denkt, dass wir es nicht wert sind, welche zu besitzen.

Nachdem wir „einen ganz normalen Tag“ besprochen hatten, erzählte Julie die Lebensgeschichte von einem jüdischen Überlebenden namens Sigmund Pluznik. Er und seine Freunde leisteten damals nämlich Widerstand. Es war bewegend, seine Geschichte zu hören, vor allem, da er noch so jung war. Julie berichtete von seinen genialen Grenzüberquerungen auf seiner Reise von Polen bis nach Isreal. Durch sein Zeichentalent konnte Sigmund Ausweise fälschen und durch ihre kreativen Ideen konnten er und seine Freunde als deutsche Tennisnationalspieler unentdeckt Grenzen überqueren. Selbst als sie bei ihrer Flucht versehentlich in die Straßenbahn in die falsche Richtung einstiegen, konnten  sie den Straßenbahnführer in letzter Sekunde dazu bringen, umzudrehen und erreichten gerade so in letzter Sekunde ihr Schiff in die Freiheit nach Istanbul.

Sprung ins Jahr 2014: Sigmund ist mittlerweile Vater von zwei erwachsenen Kindern und lebt in einem Altenheim. Dort erzählt er dem Zweitezugen-Verein seine Geschichte, damit auch wir uns noch an die Geschehnisse aus der damaligen Zeit erinnern.

2016 ist Sigmund im Alter von 92 Jahren verstorben. Bis heute schreiben Kinder und Jugendliche – wie wir – Briefe an seine beiden Kinder Daniela und Michael.

Zweitzeugen e.V. ist ein wichtiges Projekt, das sich mit einem emotionalen Thema beschäftigt. Wir Schüler:innen finden, es sollten alle Schulen die Gelegenheit bekommen, ein Teil dieser Geschichte zu werden, denn so wurden wir automatisch auch zu Zeitzeugen – wir sind jetzt Drittzeugen und können Sigmunds Geschichte weitererzählen.

Text: Louisa Reichwein und Kayn Wilhelmy, 9.1.1