Gesprächsrunde mit Herrn Helmut Hartmann, am 5.Februar 2014.
Wie er als Junge die Nazizeit überlebte, das ist das Zentrale beim Gespräch der Geschichtskurse SII mit Herrn Hartmann, jetzt 84 Jahre alt.
Er erlebte als Sechstklässler, wie es ist, von Mitschülern gehänselt zu werden, weil bekannt wird, dass die Mutter jüdische Eltern hat. Die Lehrer ignorieren, dass dem Schüler Hartmann ein Davids-stern auf das Pult gemalt wird und dieses Erkennungszeichen dann auch mal auf seinen Rücken geheftet wird.
Der Junge kann noch nicht mal zu Hause richtig darüber sprechen, an Verteidigung schon gar nicht zu denken. Das erstaunt uns aus der 12. und 13. Stufe der WBG am meisten. Vater und Mutter reden nicht über die Verfolgung von Juden. Warum? Die Familie Hartmann will lange Zeit nicht verstehen, dass die Nationalsozialisten alle verfolgen, die mit Judentum irgendetwas zu tun haben. Sie hoffen darauf, dass der „Spuk“ aufhört. Die Mutter, deren Eltern Juden sind, ist schon lange evangelische Christin und wie der Vater, ein angesehener Unternehmer in Augsburg, in der evangelischen Gemeinde aktiv. Der jüdische Großvater hatte mit Auszeichnung im 1.WK für Deutschland gekämpft. Die Familie glaubt, trotz der Bedrohung, dem grausamen Schicksal entgehen zu können.
Wir erfahren letztlich, dass die Mutter von Herrn Hartmann verschont bleibt. Obwohl sie bereits auf einer Liste stand, die eine Deportation in ein Vernichtungslager vorsah. Der Name wird von einer Sekretärin der NS-Dienststelle gestrichen. Herr Hartmann selbst kann in die Schweiz gegen Kriegsende entkommen und seinen Weg machen als Unternehmer wie sein Vater.
Beeindruckt sind wir dann auch noch von dem, was Herr Hartmann als wichtigen Teil seines zweiten Lebens betrachtet: Wir hören von seinem Engagement gegen Fremdenhass und Intoleranz durch das von ihm gegründete „Forum Interkulturelles Leben und Lernen“. Das war 1993, als er sich vor 20 Jahren durch den Ausländerhass mit brutaler Verfolgung in Rostock-Lichtenhagen und Solingen besonders herausgefordert fühlte. Herr Hartmann hat die Sache ziemlich einleuchtend herübergebracht: Die Erinnerung an „gestern“ macht Sinn, wenn wir unser „morgen“ frei von Rassismus gestalten wollen.
Das Gespräch kam zustande durch Unterstützung des Vereins „Der halbe Stern“, auch bei unserem Gespräch vertreten durch Frau Brigitte Gensch.